auf halber Treppe

 

 

 

 

 

Hier lagern die Texte, die ich nicht wieder im dunklen, feuchten Keller verstauen will, ohne jedes Tageslicht, die aber irgendwann "da oben" Platz machen mussten, wegen der Übersichtlichkeit und so...

Schaut euch also um, ist mitunter schon ein bisschen älter, das Ganze, aber manches wird ja genau dadurch besser.

 

Und, wie früher in der Hitparade, diesmal in umgekehrter Reihenfolge, also von "alt" nach "neu"! 

 

 

(Bitte beachten: Die hier gesetzten Links leiten zu YouTube weiter)


Aufbruch (für B.)

Die Tür schließt sich. Vielleicht etwas zu schnell für meinen Geschmack.

Der kühle Morgen steht mir leibhaftig gegenüber, unberührt, offen für alles, was da kommt. Treiben lassen.Meine Füße stehen parallel auf dem steinernen Treppenabsatz, die klobigen Wanderschuhe geben dem Pudding in meinen Beinen Struktur und Halt. Die angenehme Schwere des Rucksacks erdet mich.

 

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Freischwimmer

Mit 37 lernte ich zu schwimmen.

Quälende Wochen im immer etwas zu warmen Schwimmbad im betonig- bauchigen Keller einer Seniorenresidenz. Zwischen Tchibo- Fengshui und Teakholzimitatboden.

Woche für Woche mit all den anderen- hmm, wie sagt man da?- Schülern: Der schnabbeligen Ukrainerin, die jetzt endlich mal was für sich machen wollte nach drei Kindern, der heftig tätowierten Punkerin mit der dunkelblauen Erima- Badekappe über den Dreadlocks,  die „es jetzt einfach  mal lernen wollte, so gings ja nicht mehr weiter“ und dem stämmigen Bademeister- Typ mit  David- Hasselhoff- Auftreten, so lange, bis die Tür zum winzigen Becken geöffnet  wurde und er erkennbar in sich zusammenfiel und ich immer an Baiser denken musste, bei Durchzug.

 

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Ein Elefant für mich

Ich bin fünf Jahre alt und es ist Herbst. In meinen Erinnerungen ist eigentlich immer Herbst.

Blätter fallen, Wind weht kraftvoll, die Natur zeigt sich in diesen Brauns und Rots und Gelbs, von denen später viele sagen werden, dass sie mir stehen.

„Schlammtöne, Erdfarben“, sagt meine Mutter in meiner Cordhosen- und- zu-großes- Karohemd- Phase Mitte der 90er und bis heute ist mir nicht klar, ob ich mir den Unterton nur einbildete.

Vor allem ist wohl immer Herbst, weil ich dann in Gummistiefeln und Regenjacke in meinen Erinnerungen herumstolzieren darf.

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Generation Undo

Ich fühle mich als Teil einer zutiefst verstörten Generation. Ins Leben geworfen ohne konkreten Auftrag, kein Wiederaufbau, keine Auferstehung aus Ruinen, kein kollektiver Befreiungsschlag zwischen zerschnittenen BHs und freiem Sex, am Bruttosozialprodukt nie manisch schwitzend mitgekurbelt und auch der kalte Krieg irgendwie nur lauwarm. Ich gehöre also zu denen, die auf geebnetem Grund laufen können, wie jüngere Geschwister (zu denen ich dann ja auch noch gehöre, au weia), die ein bisschen nassforsch schon mit 14 in die Disco rennen, natürlich reichlich fehl am Platze und dementsprechend ungelenk und überfordert. „Was mach ich hier eigentlich?“

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Neue Heimat

Hier.

Hier steht ein Haus.

Hier steht ein Haus, das hier gestern noch nicht stand.

Hier steht ein Haus, das hier gestern noch nicht stand, nicht mehr.

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Babuschka

Die Sonne sticht mit großer Kraft durch die riesige bodentiefe Fensterfront des Cafés. Das Wasser im Hafenbecken schillert silbern im strahlenden Sonnenschein dieses Sonntagvormittages im Februar. Er sitzt an einem Tisch direkt am Fenster, mit Meerblick, wie er schmunzelnd denkt. Der Schatten des Stifts in seiner Hand nähert sich dem losen weißen Papierstapel und wird kurz bevor die blaue Tinte in zügigen Bewegungen Kritzeliges zu Papier bringt, schwarz, scharf umrissen und seltsam... fotografisch, vielleicht .

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Im Keller

Die Treppe ist steil und durchgetreten. Der muffig- kühle Luftzug schlägt ihm entgegen. In den Keller gehen, die Leichen sichten, so lautet der Auftrag.

Die Taschenlampe hat er dabei, neben reichlich Bammel vor dem, was sich alles hier unten in ihrem Lichtkegel tummeln wird.

Licht an. Ein warmer Trichter gelblichen LED- Lichts baut sich vor ihm auf. Moder. Feuchte, alte Überbleibsel von Irgendwas. Einige unangenehme, längst abgelegte Ich- Reste hängen wie Kartoffelsäcke in der Ecke. 

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Der schönste Tag in meinem Leben (kein Donnerstag)

Der schönste Tag in meinem Leben war ein Samstag vor ungefähr neun Jahren.

Ich sitze mit meinem Vater in der neuen Wohnung im Schlafzimmer auf dem Boden und wir bauen einen Ikeaschrank auf. Pax.

Mein Vater ist heute morgen mit dem Auto gekommen.Jetzt kniet er da vor den sperrholzigen Puzzleteilen, die Zunge zwischen den Zähnen, die Stirn in Falten, die Haare wirr. 

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Lavendel (do not disturb)

Meine Oma ist für mich wie ein Gespenst. Erstaunlich bruchstückhaft erinnere ich mich an sie, erstaunlich passgenau ist da ein Gefühl, ein Geschmack vielleicht, wie sie war. Wer sie war. Wer sie für mich war. Irgendwann konnte meine Oma nicht mehr alleine leben. Sie zieht zu ihrer jüngsten Tochter in ein großes, helles, freistehendes Haus. So erinnere ich das.

Mit Garten, mit Katze, mit Widerwillen.

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Something About Your Smile

Da ist mehr ein Gefühl als eine wirkliche Erinnerung. Zu viele Jahre ists her, zu viel Loslassen und nicht- Loswerden hat sich zwischen uns geschoben.

Ein Polaroid, leicht verwittert von der Sonne. Ungefähr so: M. und ich tanzen zu Northern Soul. Ich fühle mich wohl. Sie lächelt. Wenn ich jetzt wählen sollte, würde "The Magic Touch" laufen: "I swear that it makes me weak."

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Back to the old house

Ich bin I- Dötzchen, Erstklässler, trage meine orangefarbene Kappe mit großem Stolz. Und ich bin frisch umgezogen, drei Straßen weiter, weil sich Risse durch mein Elternhaus fraßen, wir am Ende durch die Wohnzimmerwand nach draußen fassen konnten. Stahlträger im Esszimmer.

Grubenschäden, ganze Straßenzüge sacken ab und die Häuser direkt mit. Alles in Auflösung. Mir egal.

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Spieglein, Spieglein...

Da sitzt du also. Ich bin immer wieder erstaunt, wie unbekannt du mir erscheinen kannst. Ich habe den Verdacht, dass es eine vor-dem-Spiegel-Pose von dir gibt, ein vor-dem-Spiegel-Ich vielleicht sogar. Leicht angestrengt, Schultern in die Höhe gezogen und den Bauch gleichermaßen eingezogen und vorgestreckt. Bewegung gewordene Selbstunsicherheit, so kommt mir das immer vor.

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Teletext (kein Daumenkino)

Mein Vater sitzt vor dem Fernseher.

Mein Vater sitzt müde vor dem Fernseher.

Mein Vater sitzt vor dem laut dröhnenden Fernseher.

Mein Vater sitzt vor dem Fernseher. Ich sitze neben ihm. Wir schauen Fußball.

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Atem.

Du sitzt auf meinem Schoß und atmest. Ich atme mit dir.

Sachte, gleichmäßig. Es klingt wie ein Schnarchen aus der Ferne, ich spüre, wie deine Bronchien Mühe haben, die Kraft für jeden weiteren Zug von Neuem zu sammeln. 

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Salto mortale

Das Martinshorn zerschneidet den Straßenlärm und hallt tosend von der runden Decke des Eisenbahntunnels wider. Ich presse beide Hände auf die Ohren, beiße mir auf die Unterlippe und kneife die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen.

Wie jedesmal. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, dass mich dieses Geräusch immer auf eine Reise schickt. Ganz weit zurück. Mich irgendwie verwandelt.

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Äkkiseltään (auf den ersten Blick)

Liisa. Plötzlich steht sie vor mir. Kleiner, als ich dachte, den schwarzen Kapuzenpulli tief in die Stirn gezogen, die Hände in den zusammengeschobenen Ärmeln versteckt, den Kopf leicht geneigt.

"Du bist Thomas, oder?" Schnodderig. Ich bin überrascht. Wir hatten einige Male telefoniert und ihre Stimme war mir vertraut, dachte ich bis gerade. 

Wir hatten Fotos ausgetauscht- sie erst nach einigem Bitten, ich nur mit einigem Unwillen- und doch ist sie mir fremd in diesem Moment. Sperrig stehen wir rum. Obi Wan und die Grinsekatze vor McDonald´s am Kölner Hauptbahnhof.

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Würmchen

Meine Oma sagte immer, ich habe Würmchen im Kopf, wenn ich so bin.

"So", das heißt störrisch, gereizt, zutiefst ambivalent, kindlich bockig, überfordert eben. Ich fühlte mich dann auf seltsame Art gesehen von ihr und ihr martialisch anmutendes Ritual, mir diesen Wurm aus der Stirn zu ziehen, mit gespitztem Daumen und Zeigefinger, ihn auf den Boden direkt vor mir zu werfen und mit der Hacke ihres Hausschuhs ausgiebig zu zerquetschen, gab mir immer ein gutes Gefühl.

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Waterkant

Ich stehe hüftbreit. Am Strand, der hier schon dunkler wird, eine leichte Wölbung wie von einer unsichtbaren Schablone gezogen. Meine nackten Zehen in kühlem, vergewissernd festem Sand. Ich liebe es, mit dem dicken Zeh sanfte Kreise zu drehen, leicht einzusacken dabei, kleine Zeichnungen zu hinterlassen. Und auf Wasser zu stoßen, unter der Oberfläche.

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liebensWERT

Die ersten Akkorde gehen direkt ins Blut. In mir ist Härte. Leere. Sehnsucht. 

Ich kann doch nicht immer so melancholisch sein...  

Morrissey singt, ein wohliges Gefühl. Samtweich, kilometertief.

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Briefgeheimnis

Meine Oma kondoliert Franz- Josef Strauß zum Tod seiner Frau.

Sowas tut sie immer. Sie schreibt auch Berti Vogts, dass sie gerade ihm den EM- Titel 96 so gönnt, weil er oft so gehänselt wurde wegen seiner Größe. Und sie hält Franz Beckenbauer die sprichwörtliche Stange, als delikate Details aus seinem Privatleben in allen Regenbogenfarben schimmern.

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Marmor

Ich sitze auf der Treppe und schaue aus dem Fenster neben der Haustür. Der kühle Marmor lässt mich durch meine Jogginghose frösteln. Ich habe ihnen abgesagt. Allen. War hässlich zu ihnen, gemein. Meinte es auch genauso. Nicht mehr ihr Freund zu sein und nie mehr mit ihnen spielen zu wollen. "Geht! Haut ab!"

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Ich sehe was, was du nicht siehst...

Ich sitze im Auto meiner Eltern. Landpartie. Am Wegesrand Felder, immer wieder unterbrochen von kleinen Siedlungen mit grauen Hausreihen, wie sie so typisch sind hier, wo Steinkohle aus der Erde geholt wird und viele Menschen schnell eine Heimat finden sollten, oder zumindest ein Zuhause. Frischgewaschene Wäsche flattert im Wind. Auf blauen Plastikleinen zwischen klobigen Betonpfosten in kleinen rechteckigen Gartenparzellen. 

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Happy Birthday

Dichtgedrängt stehen sie in dem achteckigen Wohnzimmer, das durch die Glasfront an der Dachterasse einen weiten Blick über die Dächer der Stadt bietet. Sicher 25 Thirtysomethings, gut situiert, gut gelaunt, genauso alternativ, wie es noch vertretbar ist,  Generation „Wir sind Helden“, sie haben sich ein Denkmal gebaut.

Auf dem freischwebenden Leichtbaubalkon einige, die ihre Nasen platt drücken, die Kippen wie Glühwürmchen im sternenklaren Nachthimmel dieser lauen Sommernacht.

„Wie lang ist es noch?“

„Zeit für den Countdown“.

 

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Mittagspause

Ich öffne sachte die Etagentür. Weiß schon nach einigen Sekunden, was für ein Tag heute ist: Kommt Mama mir entgegen und drückt mich fest, meist etwas zu fest, an ihre Brust oder schürzt sie die vom Druck blassen Lippen, bleich, die rechte Hand beschwichtigend wedelnd vor dem Mund.

Ich stecke also mein Gesicht vorsichtig etwas weiter durch den Türspalt. Die Luft schmeckt klebrig, düster, zäh, ein bisschen wie lauwarme mehlige Äpfel. Heute wird sie wedeln. 

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G.

Ich rufe nach einigen Tagen des einsamen Nicht- Aushaltens und der Hoffnung, dass es nicht wahr wird, wenn ich es ganz bei mir behalte, mich darin einwickele, G. an und erzähle ihm, dass sie einfach Schluss gemacht hat. Nein, eigentlich rufe ich ihn an und sage erstmal. Nichts. Nichts Verständliches, zumindest.

Heule nur, rotze in die Muschel, stocke, schluchze, stammele. Bis es endlich raus ist, alles. Erstmalig. Er es mal kurz zu sich genommen hat. Behutsam. Vielleicht wie eine streunende Katze, unterernährt und ungewaschen. Schön ist das sicher nicht. Er tut es einfach.

 

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nightswimming

Die Sonne kriecht ganz langsam den Bahndamm hoch. Erscheint irgendwie morgenmuffelig. Taucht den Kanal unter sich in ein seltsam blaubleiches Licht. Ein Licht, in dem sich sonst nur die Brötchenlieferanten und die Unverzagten, Einsamen begegnen, die das letzte Bier gleich dreimal tranken, .

Ich stürze unbeholfen ins Gras, meine Beine in der Hose gefangen, die ich ohne langes Nachdenken schon im Gehen öffnete. Ich bin hellwach. Die Dämmerung lässt die Wasseroberfläche in leichten Bläschen glitzern und der scharfe Anisschnaps, den ich irgendwann anfing zu trinken, wohl um von meinem Beobachterposten zu steigen, macht es mir gerade vollkommen egal, dass es kein sonderlich warmer Sommermorgen ist. Eher ein zögerlicher, zaghafter, zärtlicher. Ein großartiger.

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Von Äpfeln und Stämmen

Meine Mutter ist der Mensch, zu dem ich am häufigsten ungerecht war in meinem Leben. Oft brüllend. Auch jetzt wieder, wenn ich merke, dass mir keine Geschichte über sie einfällt.

Eine zu finden ist mir gar nicht so leicht. Was soll ich erzählen?

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(wie) im Flug

Wenn das Gefühl, etwas, dann natürlich auch Wesentliches, vergessen zu haben nicht schon längst zu meinem treuen Reisebegleiter geworden wäre, könnte es mir sehr gut Angst machen.

So hat es etwas Kribbeliges, fast Wohliges, am ehesten das Gefühl, loszulassen, loszuziehen, jetzt genau so unterwegs zu sein und nicht zurück zu können, um alles nochmal zu checken, abzuhaken, abzublasen vielleicht sogar. Gewissermaßen das Gefühl von relativer Freiheit zum Preis des Verlustes der letzten Gewissheit. Es macht mich wahnsinnig, ich klopfe einige Male meine Hosentaschen panisch ab oder nästele in der Jacke, wobei ich immer die Bewegung zuletzt etwas verzögere aus Angst vor dem Untersuchungsergebnis und dabei grinsen muss. Denn gleichzeitig ist es wunderbar. Und reiht sich somit nahtlos ein in den  kratzig- warmen Gefühlswust von viel zu wenig Schlaf und viel zu vielen Gedanken.

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Papageientaucher

Kurz bevor der große Blues kommt, sind sie plötzlich da.

Ich bin seit zwei Tagen on the road, den Ring entlang, im Uhrzeigersinn. Viel zu viele Stunden hinterm Lenker, Kilometer fressen, getrieben von einem Wegvon, weit weg von einem Hinzu. Mein rechter Knöchel schmerzt von dem fast hysterischen Rausgehüpfe aus dem Wagen. Ständig Fotos machen in dem rührenden Versuch, das hier alles festzuhalten. Bei laufendem Motor am unbefestigten Straßenrand. Um es später jemandem zu zeigen, zu präsentieren. Mich zu präsentieren, obwohl ich auf keinem der 2400 Fotos erscheinen werde. Ich sammle also vor allem Motive, weshalb mir manchmal schon beim Knipsen launische Kommentare einfallen oder sehr schlaue Bildunterschriften.

Die Bänder im Fuß sagen: „Lass das, nimm dir mehr Zeit für… irgendwas. Für dich, fürs Fahren, für die Musik. Für Island.“  Sie kreischen fast dabei.

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Aran Islands (für J.)

Wir laufen durch das Steinlabyrinth, das von den sanften Hügeln leicht bergab führt. Entlang zahlloser Bruchsteinmauern, die die Welt hier wie von Riesenhand gezogen in kleine Rechtecke einteilen, in denen wilde Wiesen blühen oder vereinzelt Schafe grasfressend durch uns durch glotzen. Geduldig, gelangweilt. Wir haben unsere Fahrräder oben auf dem Hügel an eine rostige Laterne gelehnt.

Ich brauche eine Pause, musste auf unserer Inseltour mit leicht angezogenen Knien einen zu hohen Gang orgeln, die Mountainbikes sind etwas zu klein für mich und silbermetallic, irgendwie aus der Zeit gefallen, wie alles hier. Es ist wunderbar. 

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In der Rauchbucht- Þessi planta veslast upp og deyr í skugganum*

Am Flughafen Keflavik gibt es genau zwei Busanbieter, die den Strom der Touristen fast geräuschlos in die Hauptstadt abfließen lassen. Jede Maschine wird so einzeln abgefrühstückt, die Busse folgen dabei den Landezeiten, stehen schon bereit für die Passagiere, die gerade aus dem kleinen verglasten Flughafengebäude in den frischen, heiteren Augustnachmittag geworfen werden.

Blinzelnde Menschen aus der ganzen Welt. Selfie vor Comicgrafitti oder Papageientaucherplakat, Mütze auf, Jacke aus, Pulli an, Mütze schließlich wieder ab, den überdimensionierten Rucksack immer wieder auf- und abgesetzt. Dabei falten sie die bunten, seltsam großen und  irgendwie mittelalterlich anmutenden Kronenscheine wie Monopolygeld grinsend vor sich her, die sie gerade aus den Automaten gezogen haben und überhaupt nicht brauchen werden, weil in Island alles, alles, wirklich alles und wirklich überall mit Karte bezahlt werden kann, als habe dieses Land das Vertrauen in das Geld verloren. 

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In der Rauchbucht- Ekki ást við fyrstu sýn*

Bjorgs Haus liegt etwas außerhalb des Stadtkerns in einer Siedlung mit zweistöckigen grauen Waschbetonbauten, von deren Fassade an vielen Stellen die kleinen Steinchen längst abgebröckelt sind und hier und da in mühsamer Arbeit wieder angeklebt werden, weshalb Baugerüste die kleinen Häuschen einzäunen. Das Ganze wirkt  bei aller gleichförmigen Eckigkeit und verwitterten Klobigkeit seltsam filigran. Ich wohne in der Einliegerwohnung im ersten Stock, eine WG mit sechs Zimmern, Platz für 10 Leute, plüschiges Sofa im Flur, riesiger Elchkopf im Treppenhaus, kleine Sonnenterasse, urige Wohnküche. Ich mag es sofort. 

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In der Rauchbucht - Sólin hitar jörðina*

In der Küche steht Donald und kocht Kaffee. Donald ist aus „den Staaten“- die Leute verwenden diese seltsame Formulierung tatsächlich- und Donald ist 78. Als er sich für seinen Vornamen entschuldigt, haben wir uns wohl schon still zum Frühstück verabredet. Donald ist neben scheinbar vielem Anderen Schriftsteller, sieht auch ein wenig aus wie Hemingway und kommt gerade von seiner fünften Documenta. Wir quatschen sicher eine Stunde über Kunst, Politik, die verrückte Welt und ein kleines bisschen über uns. Ich esse Käsebrot aus dem mittleren Fach und Gemeinschaftscornflakes und Donalds weiser Redeschwall entspannt mich derart, dass ich sogar die vorwurfsvollen Blicke einer sehr großen, sehr blonden, sehr stillen jungen Mitbewohnerin ignorieren kann, die die Küche betritt und auf mein Brot starrt. Vielleicht habe ich Bjorg doch nicht so recht zugehört bei ihrer Kühlschrankführung...

Die Riesin wird sich mir nicht vorstellen, ich ein weiteres Brot essen. Donald kocht noch einen Kaffee, ich spüle ab. Deal.

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In der Rauchbucht: Ein Trip-Tychon

Normalerweise sind meine Erinnerungen wie Fotos, hängen in meiner Vorstellung auf einer langen Wäscheleine im Garten eines schlichten Hauses in den Dünen und tropfen vielleicht noch vom Fixierer. Sie hängen da in loser Folge, nicht chronologisch und sicher gibt es einen Wind, der sie in Böen flattern lässt. Ich stehe auf der Veranda, im grauen Strickpulli, drehe eine Zigarette, die ich nicht rauchen werde und schaue den Bildern an der Leine beim Trocknen zu, manchmal auch beim Verwittern.

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Einmal Mond und zurück

Nach einigem Warten haue ich schließlich doch mit der Faust auf die Hupe, höre sie dabei zum ersten Mal und erschrecke selbst ein wenig. Nicht aber meine wolligen Freunde da direkt vor meiner Motorhaube: Die drei Schafe stehen weiter in aller Seelenruhe mitten auf der Piste, strecken mir ihren buschigen Hintern entgegen und fressen… Ja, was fressen sie da eigentlich? Gras kann es nicht sein, denn soweit ich blicken kann wächst hier einfach nichts. Ödland, Geröllwüste, seit fast einer Stunde ruckelt diese Fototapete in anthrazit und beige an mir vorbei, meine anfänglich riesige Faszination für dieses urzeitliche Maß an Unwirtlichkeit ist längst einer profunden Genervtheit gewichen. 

Ich bin auf dem Weg zum Dettifoss, irgend ein Narr hat behauptet, hier auf dem Mond gäbe es nicht nur doch Wasser, sondern sogar einen Wasserfall, einen riesigen noch dazu. Das muss ich sehen. 

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Ein einziger Tag (im Gedenken an K.)

Und dann plötzlich erzählt er. Stoppt gar nicht mehr, ein Strom von Bildern scheint aus ihm heraus zu fließen, grausamen Bildern. Er ist dabei nicht atemlos, eher klar, konzentriert und wir verstehen sofort, dass das hier etwas Wichtiges ist, ein Vermächtnis vielleicht. Sein Vermächtnis. Und wir hören einfach zu, hier auf diesem kleinen Ruhpottfriedhof, dieser Letzte- Ruheinsel im Siedlungseinerlei mit ihrer symmetrischen Ordnung, die rechte Winkel in graue Friedhofsasche fräst.

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Gefährten

Ich komme komplett gerädert am Campingplatz von Vogar an, Widerstand macht sich in mir breit, als ich links abbiege und vor der Rezeptions- Bretterbude mit den Sperrholzmöbeln und dem welligen Linoleumboden halte, die gleichzeitig eine Pizzeria ist, zumindest eine sein soll. Ich will eigentlich sofort weiter, dieser Ort ist grau auf den ersten Blick, alles wirkt irgendwie vorläufig und in dem Sinne einfach, wie sich Reiseführer scheuen, aufrichtig in die Schäbigkeit zu blicken. Aber ich bin schlichtweg zu platt, überreizt, in mir klickert diese Mischung aus albernem Irrsinn und Traurigkeit, ich bin drüber, ruhebedürftig und durch, mindestens mit dem Tag. Also mache ich es von dem Mädchen am Schalter abhängig, hoffe auf ihre Loyalität, dass sie einen unverschämten Preis verlangt, wir sind ja schließlich in Island, und ich die Leere mit Empörung füllen kann, wutschnaubend wenden und davonbrausen. Sie nennt eine absurd niedrige Summe, ist so unkompliziert und kühl- freundlich, wie diese Menschen auf der ganzen Reise eben sind.

Und so bleibe ich und treffe damit eine goldrichtige Entscheidung.

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Dartitis

Manchmal schrecke ich auf, beobachte mich beim Tun und weiß überhaupt nicht, wie ich hier nochmal gelandet bin. Das ist schon skurril genug an der roten Ampel sechsundzwanzig Kilometer von zu Hause entfernt. Aber das hier ist eine andere Liga: Ich erwische mich am Handy mit einem YouTube- Video von einem sehr jungen niederländischen Dartspieler, der ganz offensichtlich ein großes Problem hat hat: Er kann nicht werfen. 

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2017- was für´s Auge

Eine Bekannte von mir hat vor einigen Jahren die Tradition initiiert, die besten Filme (manchmal auch Theaterabende) des vergangenen Jahres zu küren. M.E. eine wunderbare Idee,  weil Anlass, noch einmal inne zu halten und in einer Bewusstheit das letzte Kunst- Jahr vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Ich markiere seither in meinem Kalender jeden dieser Abende mit dem Textmarker und bin baff erstaunt, wie viele Striche ich im darauf folgenden Januar entdecke. 

Ich empfand mein 2017 diesbezüglich als außergewöhnlich großartig und vielseitig, habe entweder zu wenig Anspruch, zu viel Zeit oder bin einfach ziemlich durchlässig geworden in jüngster Vergangenheit. Oder, vielleicht ganz anders: Ich habe einfach. Glück.

Sei es, wie es sei, rausgekommen sind dabei diesmal direkt drei Stockerl.

(Ein eigenes für den Dokumentarfilm, den ich gerade so sehr schätze und der mich auf eine besondere Art berührt, weil er die vielleicht besten Geschichten erzählen kann.)

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Heiligabend- (M)Eine herzblut- Geschichte*

Mein Patenkind M. ist zweieinhalb und ein wundervolles Mädchen. Sie ist frei und selbstbewusst und klar.

Uns trennen fast 200 km und sehr unterschiedliche Lebensrhythmen, so dass wir uns viel zu selten sehen.

Und doch ist unsere Verbindung besonders.

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Schöner Scheitern

Ich sitze zwischen den beiden in diesem kleinen Amphitheater. Wir haben uns eine Weile durch das pralle Mauerpark- Leben hierher treiben lassen, von der ersten Sonne, die Kraft hat und den Schnee vergessen lässt, der hier noch vorgestern in den Straßen wehte und den man noch schmecken kann in schattigen Ecken oder stillen Momenten, die aber gerade selten sind. Eine schwirrende Menschenmasse, die den Frühling inhaliert, jeden Sonnenstrahl hastig auszuquetschen scheint und in der alle irgendwas mampfen, schlürfen, grabbeln,  als vertreibe so viel ausgestellte Lebenslust den Winter vollends. 

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Mit Blumen

Ich kaufe mir selbst Blumen. Regelmäßig. Im Supermarkt nebenan. Oft fair gehandelte Rosen, weil Daniela gesagt hat, dass das wohl besser ist für alle. Im Frühling aber auch gerne Tulpen, die für mich so sehr für diese Jahreszeit stehen. Für vorwitzige Lebendigkeit und Kraft und Übermut und sowas.

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Erst freundlich, später bewölkt

Ich schlage zufällig die Zeitung auf.

"Aus aller Welt" heißt die Rubrik und kommt so harmlos daher, unbedarft, luftig. Eine Ahnung von bunten Anekdötchen steigt in mir auf. Die pussierliche Wasserschildkröte auf dem großen Aufmacher- Bild unterstreicht eben diese Leichtigkeit, wie sie von dem aufmerksamen Taucher den Panzer gebürstet bekommt und sich zu räkeln scheint dabei, vielleicht auch zu schnurren, wenn Schildkröten so etwas tun.

Das war´s dann aber auch mit leicht.

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Vorm Paradies

Ich sitze auf den sonnengewärmten Kirchenstufen und sehe der Masse beim Abfließen zu.

Es ist Markt. Ein Tanztheater. Ein Wimmelbild.

Aus der Mitte löst es sich auf, wird irgendwo wieder vereinzelt, zerfällt in Momente, Augenblicke, Geschichten.

Ich schalte den Ton auf lautlos und drücke den Auslöser. Immer wieder.

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Über den Wolken (begrenzte Freiheit)

Ich kann meine Augen nicht von der sehr großen dunkelhaarigen Stewardess wenden. Die weiße Bluse spannt stramm auf den muskulösen Armen während des Rettungswestenballetts, der Stoff fast transparent dabei, schwarze Muttermale sind darunter zu erahnen, auf teigig blasser Haut. Der filigrane Schlitz im leicht puffigen Ärmel macht Spagat, die dunkelblaue Feinstrumpfhose wirkt auf den starken Knien komplett deplatziert, ihr straff geknotetes gelbes Halstuch irgendwie verloren. Und sie gleich mit. 

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Wenn der Zweifel kommt

Er ist gar nicht so hässlich, wie die Leute immer sagen. Ganz adrett, ein älterer Herr, eloquent, galant, ein bisschen angestaubt, aber nicht in der Weise, dass er nicht auch wunderbar in so einem altehrwürdigen Caféhaus sitzen könnte, ein Monokel im rechten Auge, die sehr dicke, sehr gewichtige Zeitung im Schoss seines Cordanzugs.

Aber, um es vorweg zu nehmen: Er kann echt,echt kacke sein.

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Einhunderteins

Zwölfter August. Mein Opa wird heute 101.

Also würde es, er ist jetzt knapp sechs Jahre tot, und wäre sicher der Erste, der lautstark protestieren würde gegen diesen Einstieg. „100 werde ich“, würde er sagen und eine halsbrecherische Herleitung anbringen, die Lebensjahr und Geburtstag krude vermischen und beides tolldreist zu den je eigenen Gunsten kürzen würde.

Die letzten zwei Jahrzehnte seines Leben beharrte er nämlich darauf, einfach immer ein Jahr jünger zu sein, war ganz entschlossen in diesem und ungewohnt energisch. Mein Opa war oft ein Mensch, der im Stillen die Dinge ausmachte. Oder ertrug.

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An der Feuerstelle

Als meine Großtante Soffie im Feuer stehen blieb und nicht verbrannte, wusste sie, dass sie würde alles überleben können. An diesem Tag entschied sie wohl, dass ihr nichts mehr etwas anhaben könne in ihrem Leben. Oder das Leben entschied das für sie. Oder es geschah einfach. Folgerichtig.

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Da ist das Ding!

Ich blicke durch das schlierige, bodentiefe Fenster ins Hafenbecken. Schaue auf rostende Kähne und moosige Klippen.

Und bestelle doch noch ein Bier. Mein drittes. Ein großes, schaumlos im eimerhaften Glas serviert, kaum teurer als ein kleines. Warum das so sei, frage  ich die herbweiche blonde Kellnerin.

„Because we want you to drink big ones.“ Entwaffnend isländisch.

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Unter Pappeln

Der alte Sportplatz liegt unter Pappeln. Dass das Pappeln sind, weiß ich aus dem Sachunterricht, der bei uns Heimatkunde heißt, wohl, weil meine Klassenlehrerin schon die Lehrerin meiner Mutter war. Fräulein Breuer. 

Ich mag Fräulein Breuer sehr, ihren faltigen Hals, ihr knochiges Dekolleté, den absonderlich krummen Ringfinger ihrer rechten Hand und auch ihren mehligen Geruch. Fräulein Breuer steht beim Kontrollieren meiner Hausaufgaben täglich eine Weile ganz nah hinter meinem Stuhl, beugt sich über mich und ich betrachte mit angehaltenem Atem ihren türkis kritzelnden Füller in meinem Heft. Das Sonnen-Amulett, das dabei immer vor meinem Gesicht baumelt, beruhigt mich sehr. Wir sind Fräulein Breuers letzter Jahrgang und ich komme jeden Tag gerne in die Schule.

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In Bull´s Eye

Ich spiele Malen nach Zahlen im Studierendenbüro der RWTH Aachen und weiß sofort, dass das Blödsinn ist, was ich hier tue. Germanistik. Und… Philosophie. Mit dem Dartpfeil. Ich hatte eigentlich Psychologie ankreuzen wollen, finde es aber jetzt nicht in der Aufregung. Philosophie klingt aber auch klug. Magister. Pah, der hat gesessen. Ich unterschreibe den blassgrünen Immatrikulationsantrag mit meiner Kinderschrift und muss mich zusammenreißen, nicht schon wieder in Tränen auszubrechen.

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