Erst freundlich, später bewölkt

Ich schlage zufällig die Zeitung auf.

"Aus aller Welt" heißt die Rubrik und kommt so harmlos daher, unbedarft, luftig. Eine Ahnung von bunten Anekdötchen steigt in mir auf. Die pussierliche Wasserschildkröte auf dem großen Aufmacher- Bild unterstreicht eben diese Leichtigkeit, wie sie von dem aufmerksamen Taucher den Panzer gebürstet bekommt und sich zu räkeln scheint dabei, vielleicht auch zu schnurren, wenn Schildkröten so etwas tun.

Das war´s dann aber auch mit leicht.

Der Rest: Elend, Mord, Untergang.

Ehefrauen werden zersägt und eingefroren, Drogenpäckchen in Welpen(!) versteckt, von  Tierärzten, eine Jägerin auf der Pirsch getötet, ein Restaurantgast verprügelt, er hatte sich beschwert. Rechtsstreitigkeiten und Prüfungsbeschiss flankieren Selbstschussanlagen und ich erfahre en passant, fast schon als Lichtblick, dass Helena Bonham Carter künstliche Gebisse sammelt.Nur hatte ich gar nicht gefragt und Frau Bonham Carter zudem bis gerade auch ganz gern gemocht, die hat aber auch Augen.

Dieser Querschnitt ist mehr ärgerlich als skurril,  wir scheinen stets die Katastrophe mehr in den Blick zu nehmen. Um....Mmmmmh.....

Ja, warum eigentlich?

Rettet die Vorstellung, dass es woanders noch grässlicher zugeht vielleicht den Blick aufs eigene Tun?

Ist es sowas wie die in uns allen eingebaute Lustangst, die hier auf die Koppel geführt werden soll? Oder Gehässigkeit, Schadenfreude, Gafferlust?

Glauben die Redakteure allen Ernstes , wir bräuchten die umfangreichen Infos über das Schlechte so sehr? Und jene nicht, über das Gelingende, das Liebe- Volle, das Harmlose?

Ich werde in eine Art Habacht- Stellung eingeladen von diesem Schrecklichkeiten- Büffet, könnte gut meiner Mutter folgen, für die das Glas auch gerne mal viertelleer ist. Ich will das aber nicht.

Das menschliche Gehirn merkt sich vier- bis fünfmal besser negative Ereignisse als positive, was sicher mal sinnvoll war, als diese Säbelzahntiger um die Ecke wohnten und die Höhlen unserer Familien auch gerne ungefragt besuchten. 

Aber heute ist diese permanente Aktivierung des Alarmsystems nur so semi hilfreich, alles ist eh schon zu schnell und aufgeregt und ich finde es gerade deshalb so wichtig, sich auch mal das Positive, das Witzige, das echt Alltägliche an zu gucken. "Aus aller Welt". Vielleicht könnten wir dadurch sogar noch etwas lernen.

Links unter diesem Sammelsurium an Garstigkeiten und direkt über dem durchwachsenen Wetter bringt´s Hägar der -natürlich-  Schreckliche auf den Punkt: Mitten in einer wilden Brandschatzerei beleidigt ihn einer aufs Übelste, ein Tunichtgut sei er, gewalttätig und roh. Lächeln tut er darüber unter seinem struppigen roten Zauselbart, dieser weise Wikinger.

"Ja", mault er lakonisch, "wir haben alle unsere Schwächen."

"Und Stärken", will ich ihm zurufen und hoffe, dass dies dann nicht unbedingt Ehefrauenzersägen sein muss, um endlich mal in die Zeitung zu kommen...

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Stefanie Hönicke (Montag, 07 Mai 2018 11:18)

    So wahr und so gut geschrieben, dass ich mich lange an dieses POSITIVE LESEERLEBNIS erinnern werde!
    Danke dafür