In der Rauchbucht: Ein Trip-Tychon

Normalerweise sind meine Erinnerungen wie Fotos, hängen in meiner Vorstellung auf einer langen Wäscheleine im Garten eines schlichten Hauses in den Dünen und tropfen vielleicht noch vom Fixierer. Sie hängen da in loser Folge, nicht chronologisch und sicher gibt es einen Wind, der sie in Böen flattern lässt. Ich stehe auf der Veranda, im grauen Strickpulli, drehe eine Zigarette, die ich nicht rauchen werde und schaue den Bildern an der Leine beim Trocknen zu, manchmal auch beim Verwittern.

Ich setze mich dann irgendwann an den groben Holztisch auf der hellen Terrasse, hänge immer genau ein Foto ab, das jetzt vor mir liegt, höre irgendwie passende Musik und schreibe meine Gedanken in eine DinA4- Kladde, um sie abends beim Kaminfeuer in meinen Laptop zu hacken und dabei oft völlig neu zu erzählen. Bild für Bild hänge ich so von der Leine ab und klebe es mit Bildunterschrift und meinem Text mit einem Klebestift in ein Album und bin überhaupt nicht erstaunt, dass da draußen am nächsten Morgen immer wieder neue großformatige Fotos hängen, hier in meiner Peter Høeg- Fantasie.

Meine Reykjavik- Erinnerungen, wahrscheinlich meine kompletten Island- Erinnerungen, funktionieren in dieser Weise nicht, sie sind wohl noch zu frisch. Sie sind eine Diashow, viele Einzelbilder liegen eng hintereinander im Plastikrahmen im Apparat, es ist schwierig, sie einzeln zu fassen und einen klaren Satz zu jedem davon zu schreiben, der erstmal nur beschreibt, was auf diesem Bild ist und auf jenem eben nicht. Schwierig wohl auch, weil ich anders als bei gut durchgespülten Erinnerungen noch gar nicht weiß, was an diesem Bild ich erzählen, erinnern will.

Zu wenig fragmentarisch ist Reykjavik für mich noch, zu zusammenhängend erscheint mir da die Realitätsleine. Und das will ich nicht so recht, ein komplettes Logbuch schreiben, einen langen Text von „zuerst“ bis „dann“, die Bilder also nur aneinander reihen, weil sie schließlich genauso dran waren „in echt".

Sie müssten wohl noch ein bisschen hängen und durchgeweht werden, gleichzeitig habe ich aber auch jetzt schon Lust, von Reykjavik zu erzählen, diesem tollen, bunten, wilden Städtchen im Nordatlantik, diesem sich selbst überraschenden, zu schnell groß gewordenen Irgendwas da in der Rauchbucht. Und vor allem von meiner Zeit dort, die kurz war, aber sehr ereignisreich.

Also erzähle ich einfach mal, fange mal an damit, auch, um sie festzuhalten, all die Erinnerungen. 

Und so entstand  das Trip- Tychon, dieser Dreiteiler, der, zwar chronologisch geordnet, meines Erachtens nach aber auch je einzeln und von allen Seiten aus funktionieren kann. Im Wesentlichen also drei Geschichten, Einzelbilder, schon irgendwie auseinander gerissen, aber doch autark, ohne zu wissen, was der Mittelteil sein soll und was die Flügel. 

Mir hilft es, mir das so vorzustellen, ich sehe dabei eher einen dreiteiligen IKEA- Bilderrahmen mit 13 x 18- Fotos als einen Flügelaltar und folglich auch eher ein Wohnzimmer als eine Kirche. Vor allem sehe ich aber Reykjavik und mich mittendrin und habe einfach Lust, die Bilder jetzt erst einfach mal aufzuhängen, ohne genau zu wissen, wie ich sie demnächst in ein wie auch immer geartetes Album klebe, oder ob ich das überhaupt tue.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0